Wie ein Trickfilm entsteht.
Wie unser Trickfilm „1989 – Lieder unserer Heimat” entsteht.
Ein kleiner Rückblick und eine Vorausschau.
Ein Trickfilm entsteht insbesondere mit viel Schweiß, konzentrierter harter Arbeit, unzähligen langen Tagen in unserem Trickfilmstudio, vielen fleißigen Mitarbeitern, tausenden Zeichnungen, Tausenden von kolorierten Frames, sich unendlich anfühlende Musikproduktionsstunden, Korrekturgängen und auch einhergehend mit Panikattacken, Angstzuständen, blanken Nerven, Schmerzen … und ebensovielen Glücksmomenten, Spaß und Zufriedenheit. So wie es eben sein muss 😉
Jeden Tag steht man vor neuen Herausforderungen und Aufgaben, die man meistern muss und vor allem möchte, weil es die Produktion erfordert.
Was ich persönlich aus unserer bisher doch sehr intensiven Filmherstellung mitgenommen habe: unterwirf dich der Sache, lass los, hab keine Angst vor der Angst, erledige in jedem Moment deine dir gestellten Aufgaben und es funzt. Das Durchschreiten und Durchleben jeder seiner persönlichen dunklen Höllen bedeuten gleichzeitig eine große Freiheit und Leichtigkeit. Und das verleiht eine große Stärke und Unabhängigkeit.
Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass ich genau das leben darf.
Am Anfang steht die Idee und unser Künstler Schwarwel entwickelt sie inkl. erster Skribbles und Moodboards.
Parallel dazu haben wir unsere Förderanträge geschrieben, um unsere Finanzierung zu schließen, und erfolgreich unsere Crowdfunding-Aktion auf VisionBakery abgeschlossen – mit großem Dank an alle unsere Unterstützer. Unser inniger Dank gilt dabei besonders auch unseren Hauptunterstützern Flamarium und FUNUS Stiftung sowie Günther // Bigalke.
Glücklicherweise sind wir jetzt bei unserer 8. eigenen Produktion geübt, was das Schreiben von Förderanträgen betrifft, weil dies mitunter doch schon eine Mammutaufgabe darstellt, und Abgabe unserer Anträge teilweise in 10- bzw. 15-facher Ausfertigung … Jetzt liebe ich es, Förderanträge zu schreiben und dabei gleichzeitig unsere Produktion inkl. Verwertung mit allen Partnern zu planen.
Förderanträge umfassen: Synopsis, Dreh- und Dialogbuch, Filmbilder/Visualisierungshilfen, Produktionsbeschreibung, Verwertungs- und Marketingkonzept, Kalkulation, Finanzierungsplan, Stabliste, Terminplan, Director`s und Producer`s Note, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Überblick über bisherige Produktionen und Arbeiten …
Wir haben uns überaus gefreut, dass wir die Förderzusage erhalten haben von der MDM, SLM und der Bundesstiftung SED-Aufarbeitung, und der MDR wieder unsere Produktion angekauft hat und ausstrahlt.
Nach unserer Vorproduktion, die seitens Mahsasadat Hosseini Nejad, ASK und Daniel Hartmann auch eine umfangreiche Recherche umfasste, folgten unsere Musikaufnahmen im Brotmann & Töchter-Studio, bei Micki Meuser in Berlin und im Machete Fixed It Again-Studio, an denen über 30 wundervolle MusikerInnen beteiligt waren: Luci van Org, Friederike Holzapfel, Henriette Lippold, Vic Vaising, Pauline Kingsbury, Heidi Eichenberg, Schwarwel, Santiago Ziesmer, Tim Sander, Rajko Gohlke, Sebastian Krumbiegel, Bruno Rockstroh, Gary Schmalzl, Stephan Michme, Steffen Lukas, Max Reeg, Joey Adler, Mike Opossum Dietrich, Roman Shamov, Tobias Künzel, Dirk P Posner, Putzi, Daniel Schwarz, die Mitglieder des AO-Halle unter der Leitung von Matthias Erben …
Ungeplanter- und für alle überraschenderweise durfte ich kurzerhand auch meinen Gesangbeitrag bei „Rote Beete” leisten und dass obwohl ich nicht einmal ein Rhythmus-Gefühl fürs Klatschen habe.
Schwarwel hat die Lieder selbst komponiert und getextet und übernahm auch das Mixen und zusätzlich unter Beratung von Steve Binetti das Mastering. Letzteres zusammen mit Alex Oeconomo, der sich auch für die Sprachaufnahmen mit unserem Sprecher Thomas Dehler verantwortlich zeichnet.
Indoor in unserem Glücklicher Montag-Studio erfolgten – nach den Storyboards von Schwarwel und anhand der jeweiligen Animatics als Arbeitsgrundlage – unsere handgezeichneten Animationen und Computer-Animationen.
Wir sind eines der wenigen Animationsstudios, die noch ganz klassisch 2D Stift auf Papier zeichnen.
Schwarwel erstellt dabei die Key-/Hauptanimationen und übergibt diese an unseren Animator Dirk Reddig, der die weiteren Animationen zeichnet, zusammen mit: Sara Bock, Laura Wempen und Erik Johannsen.
Damit unsere Mitarbeiter und PraktikantInnen aus dem Art Department auch Einblick in unsere komplette Produktion erhalten, dürfen+müssen sie ebenso leichte Inbetweens erstellen und Zeichnungen doppeln.
Nach dem Zeichnen werden die Animationen gelinetestet, von Schwarwel frei- oder zur Korrektur zurückgegeben, dann eingescannt, in Photoshop bearbeitet und in ToonBoom koloriert und getimt.
In den letzten Monaten haben für diesen Part unsere Produktion bereichert: Laura Wempen, Alona Luchak, Ohm (Akkarapon Chanprakhon), Putzi, Lucie Nichelmann, Daniel Hartmann, Paula Hannes, Julius Roemisch, Henriette Kümmel … und ab Januar freuen wir uns auf unsere neuen PraktikantInnen und MitarbeiterInnen.
Für uns ist es wunderbar zu sehen, dass sich junge Menschen, zum großen Teil noch in Ausbildung, für 2D-Animation interessieren und in unserem Studio dieses Handwerk erlernen können.
Und dabei lernen wir selbst auch jeden Tag aufs Neue 😉 … und wir führen dafür auch unzählige Mitarbeiter- und Produktionsgespräche.
Trickfilme machen bedeutet auch: Genauigkeit und Konzentration.
343 einzelne Szenen unserer gesamt 12 Episoden müssen gut verwaltet sein.
Jedes Storyboardsbild, jede Szene, jede Zeichnung hat ihre eigene Bezeichnung … von der Entstehung bis hin zum fertigen Film … und dafür ist ein gut organisiertes System erforderlich, an das sich jeder halten darf.
Auch wenn es bei 343 Szenen stets die gleichen Abläufe sind, hat jede einzelne Szene ihre Eigenart und erfordert die gesamte Aufmerksamkeit des jeweiligen Bearbeiters.
18 Uhr schließen sich unsere Studiotüren für die Außenwelt 😉
Schwarwel bereitet die weiteren Animationen für den nächsten Tag vor, ich sitze an den ToonBoom-Animationen und danach Schwarwel zur Korrektur und für die Feinheiten.
Parallel dazu entstehen die fast 300 Backgrounds.
Ich darf diese auf dem iPad grundkolorieren, Schwarwel fügt Licht und Schatten hinzu und macht diese final in Photoshop fertig.
Nachdem wir alle Szenen in ToonBoom bzw. Photoshop fertiggestellt haben, übergeben wir diese an unseren Cutter Thomas Reichl, der diese zusammenfügt, Effekte einfügt und nach unseren Korrekturgängen final ausspielt.
Für bspw. Festivalvorführungen sind zusätzlich noch Untertitel erforderlich, die – wie auch schon bei unseren bisherigen Filmen – Catrice Toporski hervorragend ins Englische übersetzt.
Unsere ersten Episoden sind bereits fertig und wir durften diese bereits auch schon vorführen:
„Himmlischer Frieden” und „Na, ich liebe doch” auf dem 60. DOK Leipzig Festival, „Rote Beete” zum MDM-Jahresfest „Rückblick auf das Förderjahr” und im Rahmen des DOK Leipzig-Specials wurden diese im MDR ausgestrahlt.
Aktuell stellen wir 3 weitere Episoden fertig, die wir dankenswerterweise auf der Geschichtsmesse in Suhl der Bundesstiftung SED-Aufarbeitung in einem Panel vorführen dürfen inkl. unserem Verwertungskonzept, nämlich neben TV-Ausstrahlungen, Festival- und Kinovorführungen der Einsatz unseres Filmes als Schul- und Bildungsmaterial in unseren Workshops.
Bildungsarbeit und Medienkompetenz liegen uns dabei besonders am Herzen und wir möchten vor allem junge Menschen spielerisch unterhaltsam anregen, sich mit den Themen Diktatur und Demokratie, Freiheit, Unrechtssysteme, Geschichte auseinanderzusetzen, indem sie ihre eigenen Trickfilme und Comics erstellen.
Spielerisch unterhaltsam Wissen vermitteln, ohne dass man überhaupt merkt, dass man sich gerade damit jetzt auseinandersetzt.
Das ist seit vielen Jahren unser Ansatz und Credo.
Aus diesem Grund haben wir uns auch entschieden, 11 3-minütige Musik-Trickfilm-Geschichten zu erzählen, die Themen wie Mangelwirtschaft, Schießbefehl, Kindheit und Jugend in der DDR, Sport und Staatsdoping, Mauerfall und Friedliche Revolution behandeln.
Und damit das alles auch authentisch ist und unsere Zuschauer sich in die Stories selbst reinversetzen und einfühlen können, beruhen unsere Inhalte auf Schwarwel eigenen Erfahrungen, Erinnerungen und Geschichten.
Wie führt man Jugendliche an trockene Historie-Thematiken heran?
Indem man diese mit ihrem eigenen Leben verknüpft. Und dafür eignen sich Trickfilm und Musik hervorragend, weil dies Medien sind, die etwas mit ihnen selbst zu tun haben.
Also haben wir ein buntes Potpourri aus verschiedenen Musik- und Animationsstilen zusammengestellt.
„Rote Beete” beispielsweise handelt von der Kindheit, dem Familienleben und Erwachsenwerden in der DDR und ist ein Kinderlied, das mit zuckersüßen cartoony Animationen und bunten Farben aufwartet. „Himmlischer Frieden” glänzt musikalisch mit Russischer Folklore und stilistisch mit realen Animationen, die Krieg, Zerstörung und Trauer in Szene setzen.
Aufwendig ist unsere Trickfilmproduktion auch deshalb, weil viele realistische Figuren und Hintergründe im Bild zu sehen sind, um alles authentisch und real wirken zu lassen. Und weil Schwarwel sich an Meistern wie Miyazaki orientiert 😉
Was wir gerade machen:
Trickfilme, Episodenfilme, die allein und als Gesamtfilm funktionieren, Musikvideos, Anima-DOK, Geschichtsdokumentation … und wie so oft bei Schwarwel Produktionen lässt sich nichts in eine vorgegebene Schublade pressen, was wiederum neue Herausforderungen für unsere Verwertung darstellt.
Unsere 1989-Lieder-Pläne für 2018:
Unsere Episoden fertigstellen.
Währenddessen unsere bereits erstellten Filme auf den verschiedensten Veranstaltungen vorführen.
Unser Buch „1989 – Lieder unserer Heimat” herstellen.
Schulbegleitende Materialien erstellen, die auch online abrufbar sind.
Unser Total Eclipse of the Heart-Kinoprogramm mit unseren 3 Filmen „Leipzig von oben”, „1989 – Unsere Heimat …” und „1989 – Lieder unserer Heimat” weiter ausbauen.
Workshops veranstalten.
Und insbesondere in Hinblick auf 30 Jahre Friedliche Revolution unsere Verwertung in Angriff nehmen.
Wir danken allen unseren Partnern und Unterstützern, die uns und unsere Produktion begleiten.
Sandra Strauß
Dez 2017