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ZEITZEUG*INNEN: INTERVIEW MIT ROMAN SCHULZ

INTERVIEW MIT ROMAN SCHULZ

zum Buch „1989 – Lieder unserer Heimat”

Welches Lebensgefühl verbindest du mit deinem Aufwachsen, deiner Kindheit und Jugend in der DDR?

Ein relativ normales, so wie Kindheit mit vielen wunderschönen Erlebnissen in der Familie halt ist. Die familiäre Geborgenheit war ein wichtiges Fundament. Schule hat mich meistens angestrengt, obwohl ich bis zum letzten Tag gern dort war. In der Jugend wurde ich schon leicht nachdenklicher und die Sehnsucht nach der weiten Welt kam langsam auf. Der Frust und das Gefühl der Unfreiheit kam erst ab dem jungen Erwachsenenalter.
Ich hatte so ab 14/15 wahnsinnig viel gelesen … Hesse, Feuchtwanger … auch viele Amerikaner von Kerouac über Steinbeck bis Updike. Es war nicht vordergründig eine politische Unzufriedenheit, ich wollte eher irgendwie frei sein. Für rebellische Aktionen irgendwo in der Welt hatte ich meistens eine gewisse Sympathie. Dazu kam dann noch Musik. Dylan, Young und auch Springsteen haben mich mit Sicherheit stark geprägt, später Punk und New Wave, übrigens bis in heutige Tage. Ich bekam so eine Art innere Angst, Dinge in der Welt nie sehen zu können.
Als ich 2016!!! in den BADLANDS (South Dakota) war, hat sich der Kreis nach 40 Jahren geschlossen. Ich hätte vor Freude schreien und heulen können, ich hatte bestimmt Tränen in der Augen.

Was wäre deines Erachtens bei deinem Heranwachsen anders verlaufen, wenn du nicht in der DDR groß geworden wärst?

Kann ich schwer einschätzen. Vom Charakter her war ich eher aufgeschlossen, an vielen Dingen interessiert … hatte immer mal die große Klappe und habe mich nur ungern untergeordnet. Ich war nicht immer der Liebling meiner Lehrer. Ich wollte mich nicht immer so einfach einordnen lassen. Das war eigentlich weniger politisch, vielmehr vom Temperament her. Wäre vermutlich im Westen auch so gewesen. Meine Eltern habe ich bestimmt auch öfters in Unruhe gebracht. Wie wäre das wo anders gewesen? Kluge Frage …

Wie hast du das Leben in der DDR empfunden und verbracht?

Eigentlich hatte ich eine, wie man sagt, gut behütete Kindheit. Ich konnte mir die Zeit ohne Internet, Handy und Computer super vertreiben und hatte auch ständig irgendwelche Ideen im Kopf. Manchmal bin ich tagelang mit der Straßenbahn durch das damalige Netz gefahren. Es waren die herrlich offenen Wagen. Ich wollte alle Ecken und Winkel in LE erkunden. Im Sommer haben wir zum Beispiel Hummeln gefangen und in Marmeladengläsern gesammelt. Im Winter waren wir auf dem Scherbelberg bis die Fußzehnen vor Kälte brannten. Zu Chemie nach Leutzsch zog es mich auch. Bei meiner Oma im Vogtland waren die Ferienaufenthalte immer ein Abenteuer. Vom an den Handwagen angespannten Hund bis zum ersten Katapult …, Lederhose, Taschenmesser und robuste Schuhe … mehr brauchten wir nicht. Erst später wurde die DDR eher zu einer mausgrauen Bleiweste.

An welche positiven Erlebnisse und an welche negativen Erfahrungen erinnerst du dich?

Ich war ständig draußen. Wir sind um die Blöcke gezogen, haben auf verschiedenen Plätzen Fußball gespielt, später an bestimmten Treffpunkten mit der Clique rumgelungert … Musik gehört …
Es ist so im Leben, man behält stärker die positiven Dinge in Erinnerung. Wir konnten uns als Generation noch mit uns selbst beschäftigen. Mediale sowie materielle Dinge spielten de facto fast keine Rolle. Wir konnten uns über ein Matchbox für 1,10 DM aus dem Intershop mehr freuen als vermutlich heute manche Kinder über ein neues Handy. Negative Erfahrungen gab es natürlich auch zur Genüge, an anderer Stelle mehr dazu.

Bist du mit der Staatsmacht und/oder mit der StaSi in Konflikt geraten?

Weniger politisch mit der Staatsmacht, aber eigentlich ging es schon in der Schule am ersten Tag los. Als Linkshänder wurde ich relativ konsequent zum „Rechtsschreiben“ umerzogen. Dann haben sich aber genau diese Typen über meine Handschrift aufgeregt. Bis mir irgendwann der Kragen geplatzt ist und ich ab der 3. Klasse immer geantwortet habe: Hätten sie mich doch vernünftig Schreiben lassen!
Wie schon angedeutet, mit fiel das Unterordnen nicht leicht. Dann ging mir der ganze Pionier- und FDJ-Klamauk auf die Nerven. Ich war einfach ein schwieriger Schüler. Das war nicht mein Ding, um es mit Udo zu sagen.
Problematisch wurde für mich der Russischunterricht ab Klasse 5. Den habe ich regelrecht gehasst. Ich weiß, Hassen ist keine besonders gute Eigenschaft. Aber bei aller Auffassungsgabe in viele Bereichen, hatte ich immer Probleme mit dem Fremdsprachenlernen und dann kam „Russisch nach der Holzhammermethodik“. Und als umerzogener Linkshänder konnte ich die russischen Wörter selbst nach 10 Jahren nur schwer schreiben. Das „Zwangsrussisch“ hat mir dann jeden Abschluss, von der POS über das Abi bis zur Uni, verdorben! 1985 kam es wegen meines Universitätsexamens bei der feierlichen Exmatrikulation fast zum Eklat. Da entwickelte sich dann auch langsam aber sicher eine gewisse politische Komponente. Mit diesem Thema habe ich eigentlich abgeschlossen und möchte es auch nicht mehr aufmachen. Russischen Boden werde ich jedenfalls freiwillig nie betreten.

An Stasi hatte ich bis zum Studium nie besonders gedacht.
Konflikt mit der Staatsmacht? Klingt irgendwie eine Nummer zu groß für mich. Eine kleine Geschichte noch. Wir wohnten 1988 in Hartmannsdorf, einem Vorort von Leipzig. Am Dorfende war Schluss, dann nur noch Tagebau. Über unser Grundstück ging von Haus zu Haus die alte Telefonfreileitung und im Wohnzimmer war an der Wand ein Relaiskasten, der ständig laut klickte. Selbst hatten wir aber kein Telefon. Da habe ich an das Postministerium geschrieben, dass mich die Kiste nervt und entweder kommt sie raus und die Leitung weg oder wir bekommen Telefon. Als Reaktion wurde ich in das Fernmeldeamt LE in der Hauptpost einbestellt. Da hat sich dann so ein „Obertelefonguru“ ziemlich aufgeregt. Junger Lehrer, was mir einfällt, mich zu beschweren, Sozialismus, Verständnis, Dringlichkeitslisten … war mir egal. Ich blieb bei Leitung und Kasten weg oder Telefon. Nach etwa einem halben Jahr war das Telefon da!

Hast du Dinge getan oder nicht getan im Bewusstsein von der StaSi beobachtet und überwacht zu werden?

Die Enge der DDR wurde mir erst im Studium so richtig bewusst. Natürlich war mir das System auch schon aus der Abizeit klar, aber bewusst aufgepasst habe ich erst später. Man hat Spitzel vermutet, war bei bestimmten Dingen vorsichtig und hat sich mit bestimmten Themen auf einen sehr engen Freundeskreis beschränkt.
1982 im Zusammenhang mit Solidarność und dem Kriegsrecht in Polen verweigerte ich an der Uni die Verpflichtung als Reserveoffizier der NVA. Da gab es mehrere unschöne Gespräche bis hin zur Androhung der Exmatrikulation. Klingt wie im Kino, selbst eine junge Kommilitonin sollte sich als „Genossin im Auftrag der Partei …“ , aber sie war nicht mein Typ. Heute lacht man darüber.
Inzwischen kenne ich mehrere Spitzel aus unserer Studienzeit.

Konntest du dich frei entfalten oder warst du Einschränkungen ausgesetzt und wenn ja, welchen?

Freie Entfaltung oder Einschränkungen? Das kann ich so einfach nicht beantworten. Eine freie Entfaltung war es bestimmt nicht, aber Einschränkung? Wer wie ich in der DDR studiert hat, auch wenn es nicht das war, was ich eigentlich wollte, sollte wohl nicht von Einschränkungen reden. Das wäre sehr, sehr unfair gegenüber denen, die richtig – ob im Knast oder durch Berufsverbote oder durch Dauerüberwachung, Zwangsabschiebung … – gelitten haben. Die verdienen Respekt, nicht ich!
Während des Studiums hatte ich so manche „Audienzen“ bei der Sektionsleitung. Aber ich sage es mal so, die waren analog meiner Schulzeit eher meiner großen Klappe geschuldet. Später, ab 1985 im Schuldienst war man einfach vorsichtig, hat immer situativ die Dinge ausbalanciert. Irgendwann Anfang 1989 wurde man dann in kleiner Runde offener, hat sich mit wenigen Gleichgesinnten zurückgezogen. Ab Anfang September 89 dann die Montagsdemonstrationen …Verlauf ist ja bekannt.

Haben dich deine Eltern und Großeltern in dem, was du tust, unterstützt? Wie haben sie das Leben in der DDR wahrgenommen und gelebt?

Teils Teils. Besorgt waren um mich alle. Unterstützung kam aber hauptsächlich von meiner Mutter. Mein Vater, privat ein Supertyp, hatte politisch eine etwas andere Meinung als ich. Die Familie spielte aber eine große Rolle.

Meine Großeltern (auch die meiner Frau) waren die Vertreter der Kriegsgeneration, geprägt durch ein brutal hartes Leben. Sie erlebten erst Krieg, dann Ostzone, dann DDR, aber blieben anständig und fleißig bis zum Schluss. Vertrieben aus Danzig nach Weimar, private Fleischerei im Vogtland verloren … Überleben im Vogtland … was soll man da sagen. Da war Arbeit Lebensgrundlage. Harte 50er und 60er Jahre – Nix mit Work-Life-Balance, nix Kurztrip nach London, nix mit veganer Ernährung. Meine Großmutter war froh, wenn sie in den 60er Jahren ein Stück Hammel aufgetrieben hatte.
Meine Lieblingsgroßmutter starb 2007 mit fast 99 Jahren. Was sie erlebt hatte: 2 Weltkriege, vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik, fast 10 Währungsreformen …
Ich verneige mich mit Respekt vor der Eltern- und Großelterngeneration.

Welche Wünsche und Träume hattest du, die du entweder umsetzen oder eben nicht aufgrund des Staatssystems verwirklichen konntest?

Natürlich hatte ich Bilder der weiten Welt im Kopf, aber eigentlich war ich kein großer Träumer, was den Beruf angeht. Vielmehr habe ich versucht zu machen, was möglich war. Ich lebte ja nicht in der Annahme, dass 1989 Schluss mit dem Sozialismus sein würde. Also ging es eher Schritt für Schritt vorwärts. Kannst du nicht das machen, machst du was anderes, wirst 1976 bis 79 Buchbinder. Vorgesehen vom Graphischen Großbetrieb Interdruck für ein Polygraphiestudium sollte es Medizin nicht sein, okay dann umgelenkt auf Lehramt. Wenn sie dich dann rausschmeißen, hast du wenigstens einen soliden Beruf, dachte ich pragmatisch. Mal sehen, was kommt. Ich wäre gern in der Forschung an der Uni geblieben, aber dafür Parteieintritt, Freunde verleugnen, nicht mehr in den Spiegel schauen können??? Ich kannte den Preis und den wollte ich nicht zahlen. Ohne Frust und Gram, diese Spiel war nicht meins. Dann kam 1985 die POS „August Bebel“ in Leipzig. Und dann der Herbst89.

Rückblickend und im Vergleich mit dem Leben im Hier und Jetzt: Was verbindest du mit dem Satz: „Es war doch nicht alles schlecht.” Was waren für dein Gefühl positive Aspekte im DDR-System?

„Es war doch nicht alles schlecht.” Ich denke der Satz ist grundsätzlich nicht so falsch. Aber er ist leider so verkürzt, dass er am Thema vorbei geht.
Nur sollte man sich davor hüten, durchaus vorhandene positive Dinge aus der DDR singulär und losgelöst zu betrachten. Medaillen mit nur einer Seite gibt es nicht.
Kurzes Beispiel DDR-Schule: Natürlich war die DDR-Schule in einzelnen Bereichen/Aspekten vom Leistungsgedanken und Niveau der Wissensvermittlung gut, ohne Zweifel.
Aber man muss auch dazu betonen, die Schule war politisch durchorganisiert, undemokratisch und teilweise totalitär. Kinder wurden aussortiert, über Pioniere und FDJ politisch indoktriniert. Wer sich auflehnte, für den war sehr schnell Schluss mit lustig. Dies wird leider in heutigen Vergleichen zu häufig verdrängt.
Noch ein zweites Beispiel: Wohnungsbauprogramm, LE Grünau … sah doch gut aus. Alle hatten es warm und trocken. Aber zeitgleich der Verfall ganzer historischer Stadtviertel …
Daher neige ich eher zur Gesamtperspektive.

Hast du dich nach Meinungs-, Presse-, Reisefreiheit und eigener Freiheit/Identität gesehnt und wenn ja, wie und in welchem Rahmen?

Ja zunehmend, wie gesagt spätestens ab der Studienzeit bis hin zum Ausreisegedanken irgendwann Ende 1988, Anfang 1989. Wir haben anfänglich versucht, die Möglichkeiten im Ostblock auszuleben. Anfang der 80er Jahre sind wir immer im Sommer nach Bulgarien mit dem Zug, zurück auch per Anhalter. Wenn man dann im Süden an der Grenze zur Türkei war … da muss ich nichts mehr sagen. Oder bei der Rückfahrt in einem LKW aus Bayern, wenn du dann in Ungarn irgendwo vor der österreichischen Grenze raus musst …
In punkto Meinungsfreiheit waren für mich die Solidarność-Bewegung ab 1981 sowie die Sprengung der Paulinerkirche Schlüsselerlebnisse. Über beide Themen herrschte an der damaligen Karl-Marx-Universität Redeverbot.
Der Umgang mit wissenschaftlicher Literatur, die Zensur sowjetischer Schriftsteller sowie das verhinderte BAP-Konzert 1984 verstärkten meine Zweifel am realen Sozialismus.
Als ich dann 1985 als junger Lehrer (mit Bart und auch noch längeren Haaren, da hatte ich noch welche) an einer Schule im Leipziger Osten anfing, wurde es problematisch. Irgendwie musste ich ständig innerlich balancieren. Aber meine Schüler, und ich sehe das hoffentlich heute nicht verklärt, konnten mit mir schon gut. Und Bekenntnisse zum Sozialismus waren eher Mangelware. Ich habe eigentlich in jeder Stunde versucht, so weltoffen und nicht indoktrinierend zu arbeiten, wie möglich.

„Wir hatten doch nüscht.” Hast du selbst die Plan- und Mangelwirtschaft als Mangelwirtschaft für deinen persönlichen Bereich empfunden?

Wir hatten aus heutiger Sicht tatsächlich weniger, viel weniger. Aber wir hatten gleichzeitig deutlich mehr als nüscht. Das Anspruchsdenken, der Lebensstandard sowie die eigene Wünsche (siehe oben Matchbox – Handy) waren nicht zu vergleichen.
Und was man nicht hatte, musste man sich irgendwie organisieren. ORGANISIEREN war eine der Hauptbeschäftigungen in der DDR. Es zählten auch die eigenen Wahrnehmungen und das individuelle Lebensgefühl.
Mit einem 13 Jahre alten Trabant, Essensvorräten sowie Flaschenbier, welches nach drei Tagen angefangen hat zu leben, hatten wir 1986 mit Freunden am Bergwitzsee oder in Pilsen nicht weniger Spaß als 2012 mit einem Superwohnmobil im Grand Canyon. Ich sehe auch rückschauend das Leben immer im zeitlichen Kontext.

„Für den Frieden und Sozialismus immer bereit” Wie war es für dich uniformiert ein Halstuch oder ein FDJ-Hemd zu tragen und zum Appell anzutreten?

Kurz gesagt: Grausam, damit hatte ich nichts am Hut und der ganze Kram war mir zuwider. Ich fand an dem Gruppenzwang einfach keine Freude.

Wie hast du Unterricht und Schule erlebt?

Dazu habe ich ja schon einige Sätze verloren. Aber in die Schule bin ich echt gern gegangen. Sie war eine Art Treffpunkt, man hat dank guter Lehrer in einigen Fächern auch was gelernt, dank schlechter Lehrer und mangels Disziplin auch viel Ärger bekommen. Schule in der Zeit von 1966 bis 79 war auch noch anders geartet. Sie war noch stärker eine Erziehungsanstalt, nicht nur in der DDR. Da muss man nur an die Hofpausen denken. In den ersten Jahre ging es da noch in Reihen im Kreis über den Schulhof. Im Unterricht war mir oft langweilig, da ich, wie mir immer in den Zeugnissen bescheinigt wurde, mit der Auffassungsgabe keinerlei Probleme hatte. Dafür versuchte ich es mit Ablenkungen, was den Lehren nicht gefallen hat. Ich war froh über Halbjahre ohne Tadel und Verweise.
In meinen Lehrerjahren war meine eigene Schulzeit mein innerer Kompass.

Wie hast du die Masseninszenierungen, Sportwettkämpfe, Medaillen und Auszeichnungen empfunden?

Da war ich „leider“ oder zum Glück nie dabei. Dank meiner Betragensnoten kam ich auch nie in den Genuss irgendwelcher Bestenabzeichen.

Wie waren für dich deine Ferien im FDG-Heim?

Ich war einmal mit meiner Lieblingsgroßmutter hinter Erfurt in Thüringen zu so einem Urlaub. Ich durfte zum Abendessen Bier trinken und war (noch in der Pubertät) in eine richtig hübsche Blondine verschossen.

Warst du Teil einer Jugend-, Opostions- und Widerstands-Bewegung?

Nein, nicht wirklich und nicht im organisierten Sinn in Umwelt-, Kirchen- oder anderen Gruppen.

Welche Bücher und Filme haben für dich einen bleibenden Eindruck und wohlige Gefühle hinterlassen?

Sehr viele Bücher, Lesen war meine Welt, hauptsächlich von … Bulgakow, Aitmatow, Pasternak …, Feuchtwanger und Hesse dazu die großen amerikanischen Romanciers und Kerouac!
Filme: „Doktor Schiwago“ – da war ich hoffnungslos in Lara verliebt, „Es war einmal Amerika“ mit Robert de Niro sowie „Spiel mir das Lied vom Tod“ und „natürlich „Bullitt“ mit Steve Mc Queen.
Den Film „The last Walz“ vom legendären Finale von The Band aus dem San Franzisco Winterland kannten wir auswendig. Damals konnte man im Kino Capitol noch rauchen. Also Kippen und Bier … und abtauchen in eine fantastische, aber für uns leider unerreichbare Welt.

Wie ist heute dein Blick auf die DDR?

Mit eigentlich wenig Groll. Ich hatte viel Glück und habe sie mit „29 verlassen“. Die Kindheit war DDR-unabhängig schön und ich hatte nur wenige Erwachsenenjahre in der DDR verbracht. Ich lebe aktuell im Alter von 58 genauso lange in Freiheit wie in der DDR, jeweils 29 Jahre.
Meine beiden Kinder sind in Freiheit aufgewachsen. Vermutlich würde ich es anders sehen, wenn ich die Deutsche Einheit, sagen wir mit 50 oder 60 erst erlebt hätte, aber so: ALLES GUT, also nicht die DDR.

Kann deines Erachtens Zivilcourage die Gesellschaft ändern?

Klare Antwort: Ja, ja und wieder ja.

Wie empfandest du bei den Montagsdemonstrationen den Übergang von „Wir sind das Volk” zu „Wir sind ein Volk”?

Da könnte ich Seiten schreiben, aber ich belasse es bei einer kurzen Aussage.
Der gesamte Prozess vom Sommer 89 an war wie ein unglaublicher Traum in einem rasanten Tempo. Ich merkte irgendwann um Weihnachten 1989, dass hier wirklich eine Revolution abgeht. Da dachte ich, Mensch hast du ein Glück, das zu erleben. Ich war damals ehrlich gesagt auch kein Fan von weiteren Experimenten und der Suche nach dem Dritten Weg oder dem reformierten Sozialismus.
Ich war pragmatisch nach der Art, der Westen funktioniert so ganz gut, ist nicht perfekt, aber 1000mal besser als das was wir hatten und ob Experimente was bringen???

Demokratieerfahrungen im vereinten Deutschland. Rechtspopulisten, besorgte und Wutbürger beanspruchen den Begriff „Wir sind das Volk“ jetzt für sich. Welche Assoziationen gehen für dich damit einher?

Das passt nicht zusammen. Das ist eine völlig andere historische Konstellation 1989 gewesen. In einer Diktatur auf die Straße zu gehen, erforderte Mut und eine Menge an Courage. Die heutigen Schreihälse können ihr Theater eigentlich nur abhalten, weil sie alle freiheitlichen Grundrechte besitzen. Aber deren Horizonte sind oft so begrenzt, dass sie das nicht sehen oder sehen wollen.

Ab 1989 wurden Mauern eingerissen und Grenzen abgebaut. Jetzt werden diese wieder aufgebaut. Wie nimmst du das wahr? Wie fühlt sich das für dich an?

Einfach schlimm, mehr muss ich nicht sagen, das ergibt sich aus meiner Geschichte.

Was können wir unseren nächsten Generationen als Erinnerungskultur, Auswertung und Aufarbeitung der DDR-Geschichte und unserer Historie ohnehin mit auf den Weg geben? Was können wir, was kann jeder selbst aus der Geschichte lernen?

Wir können, sollten, ja müssen unsere Geschichten erzählen.
Und wir brauchen ein Publikum, das mit Respekt zuhört. Und wir haben die einfache Pflicht, dieses Publikum zu respektieren. Wir dürfen es nicht belehren.
Dann kann jeder sehen, was er lernen beziehungsweise beachten möchte.

Lieben Dank für das Interview

ROMAN SCHULZ

Geboren 1960
verheiratet, zwei erwachsene Kinder
1976 bis 79 Berufsausbildung mit Abitur GG Interdruck Buchbinder
1981 bis 1985 Karl Marx Universität Leipzig Studium Diplomfachlehrer Geschichte und Deutsch
1985 bis 1991 Lehrer an der 13. POS August Bebel im Leipziger Osten
seit Herbst89 demokratische Umgestaltung der Schule
seit 1991 verschiedene Tätigkeiten Schulaufsicht Sachsen
seit etwa 2000 Schwerpunkt Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Im Buch „1989 – Lieder unserer Heimat“ schreibt Roman Schulz über: „NEVER-COMEBACK-AIRLINES Prag 1983“ www.1989-unsere-heimat.de/buch-lieder-unserer-heimat

Und hier gehts zur Fortsetzung von „Prag 1983“: „Go Ohio 93“ www.1989-unsere-heimat.de/2930-2

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